Oliver Diggelmann
Verstörender Korruptionsthriller
Die Lichter von Budapest
Von Goethe bis Heine, über Kafka und Tucholsky bis Schlink und Schirach: Die Zahl von Juristen als Literaten allein im deutschsprachigen Raum ist Legion. Sie kennen die Labyrinthe nicht nur des Rechts, sondern auch der menschlichen Seele. Die Juristerei hilft offenbar, sich in menschliche Abgründe einzufühlen. Aber ein Völkerrechtler als Thrillerautor?
2017 hat der Autor mit seinem Erstling „Maiwald“ aufhorchen lassen. „Die Lichter von Budapest“, sein zweiter Roman, spielt in besagter Stadt. In den Nullerjahren, nach der ersten und am Vorabend der zweiten Regierungszeit Viktor Orbans. Eine Zeit, als die Clan-Kleptokratie noch weniger elaboriert war und noch nicht alle gesellschaftlichen Bereiche durchdrungen hatte.
In den „Lichtern von Budapest“ geht es um Politik, Macht und Gaunereien im laut Ranking von Transparency International korruptesten Land der EU. Es geht um Tricks, sich an europäischen Steuergeldern zu bereichern, um Eitelkeiten und Abhängigkeiten, um Käuflichkeit, Niedertracht und Zynismus. Aber nicht nur innerhalb des Landes, sondern auch um internationale Verflechtungen, um Mitwisser- und Mittäterschaft. Und klar, es geht auch um Begehren, Liebe und Verrat.
Anatol, der deutsche Held bzw. Anti-Held des Romans übersiedelt mit seiner Freundin Sophie, einer erfolgreichen Anwältin, an die Donau. Er ist anfangs ohne Job, angewiesen auf Beziehungen, um einen zu ergattern. Und er beobachtet gleichzeitig, wie seine Freundin in Subventions- und Vergabebetrügereien gerät. Sophie und ihre internationale Anwaltskanzlei spielen nicht nur passiv mit, sondern ermöglichen die Machenschaften erst.
Die Sprache des Romans ist knapp und lässt dem Leser, der Leserin den Raum, Hintergründe selbst zu erspüren. Anatol ist keine Zeigefingerfigur. Der Leser kann sich in seine Hilflosigkeit in Sachen Korruptionsbekämpfung wie auch in seiner privaten Beziehung hineinversetzen. Konsequenterweise hat die Liebesgeschichte ebenfalls kein Happy End.
Der Autor Oliver Diggelmann hat selbst als Gastprofessor in Budapest gearbeitet und gelebt, und kennt sich mit dem Recht und seiner Beugung durch skrupellose Netzwerke aus. Sein Roman ist keine trockene politische Analyse einer Demokratie & Gesellschaft im kaltblütigen Würgegriff, sondern ein toll geschriebener und dabei aufregend verstörender Thriller.
Diggelmann, Oliver. Die Lichter von Budapest. Roman. Kröner Verlag, EditionKlöpfer