Ist Afrika das neue Asien?
Löwen, die Tiger jagen?
Hans Stoisser vermittelt ein differenziertes Afrika-Bild
Februar 2016
Afrikas Medienimage ist nicht das Beste. Waren es früher Hungersnöte oder Diktatoren wie Idi Amin, Bokassa oder Mobutu, so sind es heute Ebola, Elend, Boko Haram und Massenmigration: Afrika wird als Kontinent der Katastrophen wahrgenommen – ein ewig ausgebeuteter Betreuungsfall, während er für China längst zu einem Kontinent der Geschäfte wurde.
Mehrere Autoren haben das schon aufgegriffen, Christian Hiller von Gaertringen, Wirtschaftsredakteur der FAZ mit “Afrika ist das neue Asien“ oder die Brüder Andreas und Frank Sieren mit dem anekdotenreichen “Afrika-Boom”. Hans Stoisser bringt mit „Der schwarze Tiger – was wir von Afrika lernen können“ sichtlich jahrzehntelange berufliche Erfahrungen vor Ort ein. Dabei wandert sein Focus vom ländlich-dörflichen Afrika der siebziger Jahre über Mosambiks aufstrebende Hauptstadt Maputo zu neuen, globalen Finanz-, Technologie-, Waren- und Investitionsströmen.
Für das vom Kolonialerbe belastete, politisch korrekte Europa stand altruistische Entwicklungshilfe, später Entwicklungspolitik im Zentrum der Afrika-Beziehungen. Entwicklungspolitik sollte Perspektiven schaffen. Die Abhängigkeiten aber hatten für Afrika lange Zeit mehr zu- als abgenommen. Die Politik der neuen Player, allen voran China, aber auch Indien oder Brasilien ist durchaus selbstbewusst und nicht selbstlos, wie Stoisser zugesteht, ohne viel Rücksicht etwa im Hinblick auf Menschenrechte, aber auch ohne Bevormundung.
Manche Erfolge sind beeindruckend. Afrikanische Wirtschafts-Löwen seien den asiatischen Tigerstaaten auf der Spur, veranschaulicht der Autor an Hand griffiger Beispiele. Investitionen in neue Technologien wie den Mobilfunk vernetzt die Menschen und bringt – etwa durch eine App namens M-Pesa – Agrarpreis-Infos bis ins hinterste Dorf: Bauern bekommen Information aus erster Hand und sind Zwischenhändlern weniger ausgeliefert. Trotz Dürren, Konflikten und Missmanagement ist auch in Afrika die Zahl der Hungernden zurückgegangen, schreibt der Entwicklungsexperte Stoisser. Wie in Asien auch in Afrika: Wachsender Wohlstand bedeute auch das Ende des ungebremsten Bevölkerungswachstums.
Die Auswirkungen der jüngsten China-Wachstumskrise sind nicht in Stoissers Arbeit eingeflossen. Das ist ihm nicht anzulasten, sondern liegt wohl an den langen Publikations-Vorlaufzeiten. Zuletzt haben verminderte Investitionen und vor allem der Rohstoffpreisverfall viele Boomländer hart getroffen. Gelegentlich mag der Autor die Lage zu positiv sehen: Die deplorable Situation in etlichen Krisenländern bleibt, ebenso wie Bildungsrückstand oder Korruption als Hindernis für gerechte Entwicklung: etliche der erwähnten erfolgreichen Unternehmerinnen wie etwa die Tochter des angolanischen Präsidenten, die auch in Europa investiert, sind wohl nicht unbedingt nur durch unternehmerisches Geschick zu ihren Milliarden gekommen.
Der Autor zeigt, dass Afrika im Hinblick auf wirtschaftspolitische Entwicklungen, regionale und globale Konflikte oder der Migrationsbereitschaft seiner jungen Bevölkerung auch für Europa eine Herausforderung bleibt. Von einer Europäischen Union im Selbstzweifel über ihre Rolle fordert Stoisser schlicht Beziehungen auf Augenhöhe mit Afrika, wie dies China oder Brasilien demonstrieren.
„Der schwarze Tiger“ ist flüssig geschrieben und setzt mit seiner differenzierten Sicht auf ganz unterschiedliche Länder und mit seinem Optimismus einen erfrischenden Kontrapunkt zu verbreiteter Schwarzseherei, auch wenn manchmal etwas einseitig wirtschaftliche Wachstumsraten gepriesen werden: markige Überschriften sind leichter verkäuflich als sowohl-als-auch-Titel.
Fazit: Stoissers auf jahrzehntelanger Afrika-Erfahrung fußenden Analysen sind eine auch für Laien spannende Lektüre.