Die Kunst des sanften Siegens
Diplomatie – die Königsdisziplin?
Gerlinde Manz-Christ über Konfliktaustragung, Konfliktvermeidung und „win-win“ statt „lose-lose“
Oktober 2015
Als Königsdisziplin der Kommunikation wird Diplomatie ja gerne bezeichnet – und oft belächelt. Letzteres vor allem, wenn sie, wie in blutigen Konflikten der Gegenwart – zu scheitern scheint. Meist ist das Scheitern mit seinen dramatischen Konsequenzen ungleich medienwirksamer als jeder stille Erfolg diplomatischen Geschicks.
Eine ehemalige Diplomatin hat Erkenntnisse aus ihrem Metier als Leitfaden für das internationale Geschäftsleben aufbereitet. Eine spannende Aufgabe. Ist sie ihr gelungen?
Im wesentlichen: Ja, mit wenigen Abstrichen. Die Autorin hat offenbar viele Jahre internationale Erfahrung, vom nahen Liechtenstein über den hohen Norden Japans, Israel, Westafrika und die USA. Dort hat sie sowohl bei der UNO gearbeitet, als auch Lehrjahre mit einheimischen Medizinmännern verbracht, deren spirituelle Weisheit ihr diplomatisches Know-How ergänzt. Diese Erfahrungen haben ihr offenkundig breitgefächerte Erkenntnisse über Menschen in anderen Kulturen vermittelt, über deren Gepflogenheiten und Rituale: Einsichten, die sich nicht nur auf Äußerlichkeiten beschränken, wie etwa Begrüßungen, Gesprächsabläufe bis zur Konfliktaustragung bzw. -vermeidung.
Ganz neu ist die Anwendung diplomatischen Geschicks jenseits von internationalen Beziehungen ja auch für den Laien nicht. Jeder weiß, dass nicht unbedingt „die Krieger auf den Schlachtfeldern, sondern die Diplomaten die Früchte der Siege einsammeln“, wie der Kommunikationspsychologe Frank Naumann in seinem Klassiker „Die Kunst der Diplomatie: Zwanzig Gesetze für sanfte Sieger” geschrieben hat.
Die Autorin der „Kunst des sanften Siegens“ kombiniert nun diplomatische Erfahrung mit Psychologie und „Common Sense“. Ihre Ausführungen lesen sich recht kurzweilig, und manche Erkenntnisse sind auch für den Alltag in Beruf und Freundeskreis anwendbar. Wiederholt unterstreicht die Autorin die Bedeutung persönlicher Kontakte und Gespräche. Die Schilderung ihrer Begegnungen mit bekannten Persönlichkeiten wie Bill Clinton oder Angela Merkel mögen für manche Leser verzichtbar sein.
Primäre Zielgruppe sind Entscheidungsträger in der Wirtschaft, vom unteren über das mittlere bis zum höheren Management, dem sie die „sanften“ Erfahrungen der Diplomatie als Maxime und Lösungsansätze für Führungs-Verhalten und -Entscheidungen vermitteln möchte. In ihrer verständlichen Begeisterung für ihr eigenes Handwerk schießt die Autorin dabei manchmal ein bisschen über das Ziel hinaus, wenn sie durchaus zeitgeistig, aber etwas pauschal formuliert: „Im Businesskrieg, wie er zur Stunde noch weltweit tobt, kommt es darauf an, die nächste Schlacht zu gewinnen…“, oder: „Eine solche Art des kurzfristigen Nutzenkalküls prägt die innere Haltung einer ganzen Generation global agierender Manager.“ Auch wenn sie in manchem Recht haben mag – vielleicht unterschätzt die Autorin gelegentlich modernere und durchaus schon angewandte Managementpraxis. Bei aller berechtigter Wirtschaftskritik: Die Diplomatie kommt bei ihr durchwegs (stellenweise allzu) gut, das Wirtschaftsleben eher schlecht weg.
Äußerst brauchbar aber sind die Ausführungen zu „Public Relations“ – nicht nur in professioneller Hinsicht, auch im Alltag: „Wenn wir gute Beziehungen brauchen, ist es zu spät, sie aufzubauen.“ Die wiederholt mittels plastischer Beispiele erläuterte und unterstrichene Bedeutung von Verständnis und Empathie bei der Suche nach tiefgreifenden und umfassenden Konfliktlösungen ist anschaulich. Sie betreffen sowohl politischen, wirtschaftlichen als auch persönlichen Streit („win-win“ statt „lose-lose“). Die Beschreibung von Eskalation und De-Eskalation ist schlüssig.
Die Wichtigkeit, nach einem Konflikt als „Sieger“ auch dem möglicherweise „Unterlegenen“ die Wahrung seines Stolzes, seines „Gesichtes“ zu sichern, untermauert sie mit Erfahrungen aus Japan oder dem Beispiel Nelson Mandela und Südafrika. Sie betont die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit versus jeglichem Kurzfrist-Denken (eigentlich eine Binsenweisheit), sowohl in persönlichen Beziehungen, im wirtschaftlichen Wettbewerb als auch in der globalen Verantwortung.
Durch die amerikanisch anmutende Schilderung zahlreicher Situationen, persönlicher Begegnungen und erlebter „Fettnäpfchen“ werden die Schilderungen greifbar. Die Autorin plaudert aus ihrer Erfahrung, mit pointierten Anekdoten und Bonmots. Dabei fallen etliche nützliche Stichwörter, von Anerkennung, Charisma, Rollenwechsel, „kollektive Intelligenz“ bis Sinnstiftung, die die Autorin auf eine Weise im Text vermittelt, dass sie beim Leser „sickern“ und nachwirken.
Fazit: Durch persönliche Erfahrung gewonnene, gut lesbare und auch praktisch anwendbare Erkenntnisse.
Gerlinde Manz-Christ, „Die Kunst des sanften Siegens“
Erfolgreich mit Diplomatie
Was Diplomaten bereits wissen und alle anderen von ihnen lernen können
234 Seiten, Goldegg Business 2015
https://www.manz-christ.com/buch-die-kunst-des-sanften-siegens/